I QUATTRO LIBRI DELL'ARCHITETTURA
Von den Dächern
HAT MAN die Mauern bis zu deren oberem Abschluß hoch-, die Gewölbe eingezogen, das Balkenwerk aufgelegt und die Treppen sowie alle dergleichen Sachen eingerichtet, von denen wir oben gesprochen haben, dann gilt es, die Dächer zu machen, die jeden Teil des Bauwerks berühren und mit ihrem Gewicht überall gleich auf die Mauern drücken und so das ganze Bauwerk zusammenhalten. Darüber hinaus schützen sie die Bewohner vor Regen, Schnee, den heißen Strahlen der Sonne und vor nächtlichem Tau. Sie bringen dem Gebäude auch dadurch nicht geringen Nutzen, daß sie das Regenwasser fern von der Mauer nach unten leiten. Denn obgleich das Wasser scheinbar wenig schadet, so wird es doch im Laufe der Zeit zur Ursache größten Übels.
Die ersten Menschen haben, wie bei Vitruv zu lesen ist, die Dächer ihrer Wohnungen eben gemacht. Aber als sie gewahr wurden, daß sie so vor Regen nicht geschützt waren, begannen sie, angetrieben durch die Not, Giebel zu verwenden, das heißt, sie errichteten in der Mitte Firste. Diese Giebel muß man mehr oder weniger hoch machen, je nach der Gegend, wo gebaut wird. In Deutschland macht man deshalb wegen der großen Menge Schnees, die dort fällt, die Dächer sehr steil und bedeckt sie mit Schindeln, das sind kleine Holztafeln, oder mit dünnen Dachziegeln, die, wenn man sie anders machen würde, durch das Gewicht des Schnees zerstört würden. Wir aber, die wir in einer gemäßigten Region leben, müssen eine solche Giebelhöhe wählen, daß sie dem Dach Anmut und eine schöne Form gibt und zugleich den Regen leicht ablaufen läßt. Deshalb teilt man die Breite der Stelle, die überdacht werden soll, in neun Teile, zwei davon machen die Giebelhöhe aus. Nähme man den vierten Teil der Breite, würde das Dach zu abschüssig, so daß die Ziegel sich nur mit Schwierigkeit befestigen ließen. Nähme man den fünften Teil, wäre das Dach zu flach, so daß die Tafeln selbst und der Schnee, wenn er fallen sollte, es zu sehr belasten würden.
Man läßt die Dachtraufen, in die das Wasser von den Ziegeln hineinläuft, um das ganze Gebäude herumlaufen. Durch die Wasserspeier wird es von der Mauer ferngehalten. Diese Speier müssen einen und einen halben Fuß, gerechnet von der oberen Mauerkrone, hinunterreichen; was, abgesehen davon, daß es die Festigkeit verstärkt, das Wasser vom Dachgebälk fernhält, das sonst an diesen Teilen Schaden anrichten würde.
Zahlreich sind die Methoden, das Holz des Daches zu verlegen. Aber wenn auch die mittleren Mauern das Gewicht der Balken tragen, wird es sich leicht anordnen lassen. Dies gefällt mir dann sehr, weil die äußeren Mauern nicht zu sehr belastet werden. Und wenn die Balkenenden anfaulen sollten, so ist deshalb noch nicht das ganze Dach in Gefahr.